ScherbenPflaster
von Marie Rodewald
Szene 1. Warten
Szene 2. Das Ich, das war es
B. Liebst du mich?
A: Brauchst du mich?
B: Warme Nächte sind rar geworden…
A: Es sind die Straßen, die dreckig erscheinen…
B: Können nicht diese klebrigen Scheißgedanken aus der Kopfrinde rausgekratzt werden? Sie hängen…
A: Wie Schmutz an den Wänden und lassen sich nicht vertuschen. Du bist gefallen…
B: Du bist auf den toten Menschenasphalt gefallen…
A: Sei ruhig! Ich ertrag das nicht… (singt)“Wenn ich ein Vöglein wär und auch zwei Flügel hätt, flög ich zu dir. Weil´s aber nicht kann sein, weil´s aber nicht kann sein, bleib ich all hier…“
B: Ich bin du…
A: Und du bist Ich…
A/B: Das bleibt so!
A: Ich war´s!
B: Ich war´s!
A: Ich hab sie mitgenommen!
B: Ich hab sie verführt!
A: Geschlagen!
B: Bombardiert!
A: Gefickt!
A/B: Ich hab das kleine Kind gefickt! Ich hab das kleine Kind gefickt!! Ich hab das kleine Kind gefickt!!!
A: …Während es um Gnade flehte.
B: Die Todesfelder, das war ich.
A: Wegen mir hat jeder die Party verlassen.
A/B: Schaut mich nicht so an!
B: Ich saug dir deine Scheißaugen raus…
A: Und schick sie in eine Schachtel an deine Mutter.
A/B: Schaut mich nicht so an!!
B: Und dann such ich dich heim…
A: …Nur fünfzig mal schlimmer…
B: …In Gestalt dieses…
A/B: … Kindes. Ich kann nicht mehr.
Szene 3. Offensive
Szene 4. Selbstdarstellung
B: Ich sehe dich. Ich fühle deinen Körper, der sich um meinen schmiegt. Deine Angst mein Versteck. Ich sehe dich. Ich sehe deine roten Wangen, die sich wie Äpfel an mir reiben. Mein Kopf ist gespeist mit bunter Fantasie, die du durch dein Geschrei ergrauen lässt. Ich bin in dir und du bist nirgendwo. Ich bin in dir und schon verdorben.
A: Es gibt kein Ich mehr…
B: Doch!
B: Ich zerschneide alles. Diese verdammte Schweinerei, dieser Gehirnfick. Ich fühle das Blut, das durch mich hindurchrauscht und nach Außen pocht bis es verfault. Ich verfaule.
A: Es gibt kein Ich mehr…
B: Doch!
B: Ich missbrauche deinen Körper, um mich zu spüren. Ich bin auch verletzlich. Ich bin auch verletzlich, wie du. Ich krieche nur anders. Ich blicke über ihre Schultern hinweg und sehe mein Mädchen unter dem schweren Laub. Ich vertrockne mit dir. Ich bin bei dir. Gebt ihr kein Mitleid, sie hat es nicht verdient.
A: Es gibt kein Ich mehr!
B: Doch!
B: Ich bin überall. Sucht und fangt mich doch. Ich bin der Arzt, der eure Wunden pflegt. Ich bin der Schauspieler, der euch am Abend amüsiert. Ich bin der Handwerker, der euch die Waschmaschine repariert. Ich bin der Staatsanwalt, der den Staat anklagt. Ich bin der Schmutz unter euren Schuhsohlen. Ich bin… . Ich bin über euch und zeig euch doch, wie leicht es ist neben euch zu sein. Ihr seid gefährlich, weil ihr mich zulasst.
A: Es gibt kein Ich mehr. Es gibt kein Ich mehr…
B: Doch oder auch nicht? Oder etwa doch…
Szene 5. Die Suche nach Ausdruck
Szene 6. Es gibt kein Ich mehr - Hoffnungslosigkeit
A: Laternen, ich sehe nur Laternen im Dunkeln. Alles zerreist sich in mir, es platzt aus mir, zum atmen bin ich zu schwer. Ich atme die leichte Langeweile.
B: Laternen, ich sehe nur Laternen im Dunkeln. Alles zerreist sich in mir, es platzt aus mir, zum atmen bin ich zu schwer. Ich atme die leichte Langeweile.
A: Ich will weg.
B: Ich will weg.
A: Was bin ich, dass ich mich überlebe.
B: Was bin ich, dass ich mich überlebe.
A: Was bin ich, dass ich töte, um zu verstehen, was Gier ist.
B: Was bin ich, dass ich töte, um zu verstehen, was Gier ist.
A: Nur noch moralischer Anstandsmüll, der mich überlebt, der mich formt, der mich speist und führt…
B: Nur noch moralischer Anstandsmüll, der mich überlebt, der mich formt, der mich speist und führt…
A: Ich…Ich…Ich…
B: Ich…Ich…Ich…
A/B: Es gibt kein Ich mehr…